Bettagsmandat 2025 - Respekt für Fairplay und Spielregeln
- Magnus Oeschger
- vor 7 Tagen
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Seit der Gründung des Bundesstaates 1848 hat der Dank-, Buss- und Bettag eine besondere Bedeutung als Zeichen staatlicher und konfessioneller Einigung. Zu diesem Zweck veröffentlichen die Kantonsregierungen jeweils eine Botschaft an das Volk, das sogenannte Bettagsmandat. Damit bieten sie ihren Bewohnern einmal im Jahr einen Halt an, um sich über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg auf gemeinsame Werte und Orientierungspunkte zu besinnen und zu verständigen. Das Bettagsmandat im Kanton Glarus verfasst der Regierungsrat zusammen mit zwei Vertretern der Landeskirchen.
Respekt für Fairplay und Spielregeln
Um Werte wie Frieden, Demokratie und Solidarität zu sichern, sind Fairness und klare Spielregeln ein gemeinsamer Kompass. Sie sind ein Bekenntnis zu Respekt, Ehrlichkeit und gegenseitiger Toleranz. Es stärkt die Gesellschaft und schützt vor Spaltung.
Durch Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, auf dem afrikanischen Kontinent, die Zunahme weltweiter Flüchtlingsströme oder den US-Zollstreit geraten Selbstverständlichkeiten, die unsere Generationen lange getragen haben – Frieden, Stabilität, Wohlstand – ins Wanken. Auslöser dazu ist eine Renaissance des Rechts des Stärkeren. Damit kommt die Stärke des Rechts als Ausdruck geschriebener Spielregeln zwischen Staaten und im Verhältnis des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern unter Druck. Wenn Spielregeln nicht mehr eingehalten werden, sind Frieden, Demokratie und Menschenrechte die ersten Opfer.
Gehen wir erst recht mit Mut und Zuversicht voran. Nehmen wir uns dabei ein Vorbild an den Werten der Schwinger: Sie sind im entscheidenden Moment bereit, begegnen sich in der Arena mit Respekt, und es ist der Sieger, der sich um den Unterlegen sorgt, indem er ihm den Rücken abwischt.
Auch die Erfahrung lehrt uns, dass es in jeder noch so negativen Entwicklung plötzlich Sonnenstrahlen gibt, die durch eine Lücke ins Dunkle scheinen. Für viele Menschen ist dies die göttliche Kraft, die uns schützt und lenkt. Die Zukunft ist nicht vorherbestimmt, sie ist veränderbar. Der entscheidende Moment ist dabei immer jetzt, heute. Und der Ort, etwas zu verändern ist hier: hier bei uns im Glarnerland, in der Schweiz.
Wenn wir also Demokratie, Gemeinschaft und Spielregeln hochhalten sowie unsere Institutionen stärken wollen, achten wir auf unsere Sprache, respektieren wir andere Meinungen, gehen wir abstimmen und bringen uns voller Vertrauen ein. Denn Menschen, die mit Zuversicht und Verlässlichkeit das Miteinander leben, stärken unser Land – gerade in Zeiten, in denen das Trennende oft lauter ist als das Verbindende.
Unterschiedliche Ansichten haben uns stark gemacht
Das Verbindende im Christentum prägt die Schweiz seit ihren Anfängen: Unsere Vorfahren haben diesen Staat als Bund vor Gott gegründet; unser Wappen zeigt das christliche Symbol schlechthin – das Kreuz. Der heilige Niklaus von Flüe hat durch sein zutiefst christliches Leben und mit seinem politischen Einfluss unser Land vor dem Zerfall bewahrt. Das Christentum ist die Grundlage unseres Volkes und unserer Nation.
Jesus hat sein Volk und seine Heimat so sehr geliebt, dass dessen Schicksal ihn zu Tränen gerührt hat. So haben wir auch allen Grund, unsere Heimat zu lieben. Die Pflicht der Bürger ist es, gemeinsam mit den Behörden im Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten und entsprechen der Ordnung der Liebe.
Innerhalb dieses Rahmens ist viel Platz für unterschiedliche, ja einander widersprechende Ansichten. Damit müssen wir leben. Als Schweizerinnen und Schweizer sind wir aufgerufen, unseren Standpunkt klar und ehrlich zu vertreten, aber auch andere, ebenso ehrliche Standpunkte zu respektieren. In diesem Streit der Meinungen will jeder obsiegen; das liegt in der Natur des Menschen und das ist auch gut so. Denn dieser Wettbewerb der Ansichten hat unseren Staat stark gemacht, und das soll auch künftig so bleiben. Entscheidend ist, dass wir in diesem Meinungsstreit niemanden verletzen oder demütigen. Als Staatsbürger sind wir auch verpflichtet, die Gesetze unseres Staates zu achten. Alle diese Tugenden können wir unter dem Begriff Fairplay zusammenfassen.
Fairness als Verzicht auf unlautere Mittel
Fairness ist nicht der Verzicht auf Auseinandersetzungen, sondern der Verzicht auf unlautere Mittel. Völker, die in der Vergangenheit politisch oder militärisch den Kürzeren zogen, haben dabei erlittenes Unrecht danach oft wieder zur Rechtfertigung für Terrorismus und Mord missbraucht. Aber für Terror gibt es keine Rechtfertigung.
Wir erschrecken über die Abgründe des Hasses, und welche Gräueltaten auch in unserer Zeit möglich sind. Wo der Hass beginnt, endet der Friedenswille, und wir sind auch nicht immun gegen wütende Gefühle. Hass darf nicht in das Zusammenleben in der Schweiz eindringen. Wir müssen mit aller Macht dagegen aufstehen, denn Hass erzeugt immer noch mehr Hass.
«Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten» – so schrieb Paulus an die Christen in Rom.
Im ersten Kappelerkrieg 1529 standen sich die Heere reformierter und katholischer Schweizer Orte gegenüber. Als das Fussvolk der verfeindeten Heere gemeinsam eine Milchsuppe in einem grossen Topf zubereitete, kam es nicht mehr zum Blutvergiessen.
Die Zukunft ist ungewiss, und der Friede könnte noch brüchiger werden oder sogar enden. Dann wollen wir Schweizerinnen und Schweizer als ein Volk bekannt sein, das für seine Überzeugungen kämpfen kann, aber auch bereit zum Frieden ist, und mit Gegnern fair umgeht.
Im Grunde geht es um Akzeptanz
Fairplay beruht nicht auf gesetzlichen Regeln und Richtern, die darüber wachen. Sein Kern sind die gemeinsamen Werte, auf die sich eine Gemeinschaft freiwillig verpflichtet hat. Diesen ordnen sich deren Mitglieder aus Überzeugung unter, sowohl als Sieger als auch als Verlierer. Die Werte in der Schweiz sind fest im Christentum verankert. Die Würde und Gleichwertigkeit jedes Menschen vor Gott manifestiert sich in einzigartiger Weise in den ausgeprägten demokratischen Mitbestimmungsrechten.
Fairplay entspricht gerade bei uns im Glarnerland denn auch vor allem dem, was vom Volk oder der Gemeinschaft mitgetragen und akzeptiert wird. Die Institutionen fühlen sich allen Bürgern verpflichtet. Das schützt die Politik davor, sich in Mikrothemen zu verzetteln, die nur Wenige betreffen und sich im Alltag von selbst auflösen.
Durch das Volk gemeinsam akzeptierte Werte bewahren aber die Schweiz auch vor der Spaltung ihrer vielfältigen Gesellschaft. Fairplay zeigt sich hier regelmässig darin, dass Sieger nicht über andere triumphieren und Verlierer ihre Niederlagen akzeptieren. Sowohl die Mehrheiten, als auch die Minderheiten unterlassen es, nur auf ihre Rechte zu pochen, und gehen stattdessen vielmehr aufeinander zu. Dies eben im sicheren Wissen, dass nur auf Dauer hält, was von allen mitgetragen wird. Das ist nicht selbstverständlich. Dazu genügt ein Blick über die Grenzen. Volksentscheiden schlägt dort immer noch Misstrauen entgegen. In der politischen Arena treten anstelle von Fairplay vermehrt Gesetze, die den demokratischen Gestaltungsspielraum begrenzen und verrechtlichen.
Seien wir froh um unser unverkrampftes, von Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen Volk und Staat. Es ist Gradmesser, Garant und Ausdruck für unser Fairplay in der Schweiz im Kleinen sowie im Grossen.
Autoren:
Regierungsrat Christian Marti über «fehlende Spielregeln, deren erste Opfer Frieden, Demokratie und Menschenrechte sind»;
Pfarrer der Katholischen Pfarrei St. Fridolin Glarus-Riedern-Ennenda Matthias Andreas Hauser über «Unterschiedliche Ansichten, die uns stark gemacht haben»;
Pfarrer der Reformierten Kirchgemeinde Mollis-Näfels Johannes Geitz über «Fairness als Verzicht auf unlautere Mittel»
Ratsschreiber Arpad Baranyi über «Akzeptanz, um die es im Grunde geht».